Allgemein

Abschussrampe

RKA_15_Minigolf
Dir stehen alle Türen offen, mein Kind. Wir hatten nichts, du sollst es einmal besser haben als wir und wir tun alles dafür, dass dir das auch gelingt. Jede Familie, mein Kind, ist eine Basis. Unsere Familie ist mehr. Wir sind dir nicht nur Basislager für deinen Aufstieg, wir sind dir auch die Abschussrampe. Abnabelung ist wichtig, ohne Abnabelung kein Abheben, keine Flugphase. Und Bildung, mein Kind, Bildung ist die Rakete. So eine Rakete ist was wert und ist uns was wert. Drum, liebes Kind, enttäusch uns nicht. Rampe da, Rakete da, du da. Jetzt wird senkrecht gestartet. Sei kein Bruchpilot, Kind. Wachse über dich hinaus, lass Grenzen hinter dir, lass dich auf neue Umlaufbahnen ein und three, two, one, Lift-off!

Rohrköhlauer #15, am 16. Mai 2017

Dampfschnösel

RKA_14_Auspuff
Wenn ich groß bin, werde ich Auspuff. Mehr Rebellion, mehr Ausbruch aus der aufrechten Familientradition ist nicht denkbar. So ein richtig röhrender Pimp-Car-Auspuff, der hängt, nicht steht; der faucht, sprotzt, spuckt und die Abgase mit Stolz ausstößt. Meine Eltern sind ja Dampfschnösel: edel, ästhetisch, streng geometrisch und umweltpolitisch korrekt. Die puffen nicht, die blasen bloß. Die streben gen Himmel, nicht gen Straße. Die haben die Erdung verloren, sind zu abgehoben und kennen Dreck nur mehr aus dem Munde von Kaminkehrer_innen-Erzählungen.

Rohrköhlauer #14, am 8. Mai 2017

Einlaufgitter

RKA_13_Einlaufgitter
„Wir schenken Straßen Augen. Wir eddingen Zebrastreifen. Wir malen abstrakte Parkplatzmarkierungen. Wir tünchen Schlafende Polizisten in Schockfarben. Wir machen Street-Art und nehmen diese wörtlich. Wir bearbeiten den Belag. Wir signalisieren, wir verwirren, wir sprühen vor Ideen. Klar, das ist illegal. Klar, das ist bunt. Klar, das schafft Feinde. Klar, dass wir im Untergrund leben.“, postete die Gullygang auf ihrem Blog „Street-Unartig“. Gestern wurde die Gruppe gefasst. Sie hätten ihren Fluchtweg nicht so gut markieren sollen.

Rohrköhlauer #13, am 2. Mai 2017

 

Zwecktektonik

RKA_12_Zwecktektonik
Ob der Weg zur Weisheit ein gepflasterter ist? Ob Weisheit im Parterre wohnt? Ob das Tor zur Weisheit eines mit Siegeln ist? Ob Weisheit an einem blauen Faden hängt? Ob auch Weisheit regel-mäßig gelüftet gehört? Ob sich Weisheit aus Versatzstücken zusammensetzt? Ob auch Vers-Satz-stücke ein weises Ganzes ergeben können? Ob’s im Inneren der Weisheit dunkel ist? Ob Weisheit von einer Neonröhre erleuchtet wird? Ob Weisheit auch nur mit Holz heizt? Oft frag ich mich ja, ob alle immer irgendwas denken, oder ob viele Hirne einfach verschalt und vor Dauergedankenbe-schuss geschützt sind? Von Weisheit zu Weichheit ist es nur ein kleiner Schritt. Ob dumm dämmt?

Rohrköhlauer # 12, am 26. April 2017

Leitungslos

RKA_11_Leitungslos
Einmal ziellos sein. Einmal oberflächlich sein. Einmal geklärt werden. Einmal einfach nur leer sein. Einmal nicht alles schlucken. Einmal tropfen. Einmal nicht nur so rumhängen. Einmal nicht bloß so Kanal sein. Einmal ein offenes Ohr geschenkt bekommen. Einmal voll leck sein. Einmal voll abrauschen. Einmal mit einem Hirsch um die Wette röhren. Einmal die Fassung verlieren. Einmal aus der Verankerung lösen. Einmal in die andere Richtung fließen. Einmal knicken. Einmal gar nicht fließen sondern stauen. Einmal richtig verstockt sein. Einmal richtig verstopft sein. Einmal brechen, einmal bersten, einmal platzen und dann endlich, endlich, endlich die Sonne sehen. Sich ausstrecken, sich hinlegen und einfach nur abhängen, chillen. Wir können nicht sehen. Wir können nicht chillen. Wir können uns nur zur Decke strecken. Wir hängen fest. Wir kennen nur eine Richtung und wir kennen die Dichtung. Dichtung und Fluss, mehr ist nicht Muss. Wir sind aktiv passiv. Wir tun nicht, wir lassen. Wir lassen alles zu und durch. Durchzug ist unsere Bestimmung. Wir haben alles über uns ergehen und durch uns ziehen zu lassen. Scheiß Job!

Rohrköhlauer # 11, am 19. April 2017

ROHRKÖHLAUER-KONZEPT
Rohrköhlauer ist ein Dialog zwischen Fotografie und Literatur. Die Fotografin Claudia Rohrauer gibt das Bild und den Rhythmus vor, der Autor Markus Köhle liefert den dementsprechend kurzen oder langen Text – je nach Bildfrequenz: 1 Foto pro Woche = 7 Zeilen Text, 1 Foto pro Monat = 28-31 Zeilen, 1 Foto pro Jahr = 365 Zeilen, 2 Fotos pro Tag = 2 halbe Zeilen, etc.

Vorabsprache gibt es keine, Nachbesprechung beziehungsweise Kommentare erwünscht (an: koehle@backlab.at). Die Projektdauer ist auf 1 Jahr (2017) respektive maximal 365 Bild-Texte angelegt.

Kompott oder Geschichte wird gemacht

DSC07024Ich habe was gewonnen! Meine Geschichte „Kompott oder Geschichte wird gemacht“ ist bepreist und veröffentlicht worden. Im Buch Mountain Stories 2016/2017 sind italienische, englische und deutsche Texte abgedruckt und folgender Preis winkt:

1 Übernachtung im Doppelzimmer für 2 Personen inklusive: Frühstück mit herrlichem Panoramablick auf die Dolomiten
ein 3 Gang Dinner für 2 Personen inklusive Getränke (!) täglich ein Hausaperitif von 18Uhr30 bis 20Uhr das move & explore Programm mit Bogenschießen, den Fünf Tibetern und Anderem (!)
die Benützung von Endlospool, In- und Outdoor Whirlpool, Dampfbad und Sauna im einzigartigen vigilius mountain spa
Autoabstellplatz an der Talstation, sowie die Nutzung der Seilbahn und Aufstiegsanlagen am Vigiljoch
Na, das ist doch mal was! Dieses Vigiljoch ist übrigens in Lana (Südtirol) und es wird auch eine Lesung der abgedruckten Texte geben. Ich freu mich!

 

Katzenklappe

RKA_10
Sie setzte mich einfach vor die Tür. Mit Hut und Gut und Luftpolsterfolie statt Kingsize-Rosshaar-Matratze. Ich würde mich langsam auflösen, so sie, hätte meine Leuchtstreifen verloren. Ich reflektierte nicht mehr, so sie, wäre ihr zu verspult. Ich kratzte an der Tür, nagte am Schloss, aber nichts – keine Gnade. Etwas Lack blätterte ab, mehr nicht. Die Katzenklappe hatte sie vernagelt, die Telefonnummer geändert. Ich summte „Du kannst die Katze behalten, aber die Stadt gehört wieder mir“ und begann zu weinen. Die Tränen flossen, nein, schossen regelrecht aus meinen Augen. Das war kein Weinen, das war ein beidäugiges Sprenkeln. Das war eine Gabe, die musste genutzt werden. Ich wurde Feuerwehrmann und rettete fortan vorwiegend Katzen aus Bäumen.

Rohrköhlauer # 10, am 7. April 2017

Innsbrucker Prosa Festival

Seit 2003 bin ich gemeinsam mit Robert Renk Kurator des Innsbrucker Prosa Festivals. Drei Tage, drei Orte, 12 Lesende alle Jahre wieder. Seit einiger Zeit tatkräftig unterstützt von Carmen Sulzenbacher, und Martin Fritz. Nächstes Festival im April 2023.
Mehr Infos auf: prosafestival.wordpress.com

Keppelallianz

RKA_9
Elch-Alarm! Elche aus der Gesellschaft ausgebrochen. Elche rotten sich zusammen. Elche organisieren sich. Elche vermaschinieren. Elche planen einen Aufstand. Elche wollen sich vermutlich auf die Bühne heben, die ihnen gebührt. Wie konnte es zu dieser Elchverhebebühnung kommen? Alle wurden doch geherzt, geduzt, gestreichelt. Alle, Elch und du. Alle waren gesundheitsversichert und integriert: Elch und du. Allen standen alle Wege offen: Elchen, Tieren, dir und mir. Aber dann: der Elchtest, der Dieselmotorenskandal und „We can leave a little bit of the environment“-Trump. Welches little bit denn bitte? Die Sandstraße? Das Blaue des Himmels? Die verfickte Sonne? Einreiseverbot für die Sonne? A wall against the sun? Elche? Eine Elchmauer? Sie rückt ja eh schon näher die Mauer. Aber wie kommst du denn auf Elche? Das sind doch im Grunde bloß dienstlose Aussichtsplattformen, die sich hier unterhalten, die gerne Strelitzien wären. Da zwitschern sich doch Paradiesvogelblumen zu, weil sie auf den Bus in die Stadt warten, der hier halt wirklich sehr selten vorbei kommt. Und die eine, die arg im Nacken Geknickte sagt: „Ich war doch gar nicht so garstig.“ Aber alle sind sich einig und keppeln auf sie ein: „Wir sind größer, schöner, eleganter!“ Mein Gott, hätte ich einen solchen Hals, ich trüge meinen Kopf auch hoch. Eine Mischung aus Elch und Giraffe müsste man halt sein: Giraffelch. Das wär’s! Klar, reckte ich mich. Aber ich will mich nicht aufregen. Alles bloß keine Erelchung. Also Elch-Alarmentwarnung! Echt?

Rohrköhlauer # 9, am 30. März 2017

ROHRKÖHLAUER-KONZEPT

Rohrköhlauer ist ein Dialog zwischen Fotografie und Literatur. Die Fotografin Claudia Rohrauer gibt das Bild und den Rhythmus vor, der Autor Markus Köhle liefert den dementsprechend kurzen oder langen Text – je nach Bildfrequenz: 1 Foto pro Woche = 7 Zeilen Text, 1 Foto pro Monat = 28-31 Zeilen, 1 Foto pro Jahr = 365 Zeilen, 2 Fotos pro Tag = 2 halbe Zeilen, etc.

Vorabsprache gibt es keine, Nachbesprechung beziehungsweise Kommentare erwünscht (an: koehle@backlab.at). Die Projektdauer ist auf 1 Jahr (2017) respektive maximal 365 Bild-Texte angelegt.

Türsturz

RKA_8
Publikum ist eine Pest. Publikum findet heutzutage ja überall hin. Eine wirklich hermetische Veranstaltung abzuhalten, ist mittlerweile eine Kunst. Denn man kann sich vor Leuten, die einem zuhören, einen sehen und verstehen wollen, wirklich kaum mehr erwehren. Eintritt und Helmpflicht sind längst keine Lösung mehr, denn Publikum ist begütert und demütigungsbereit. Wer unbesetzte Sessel will, muss bauliche Maßnahmen setzen. Es müssen Rigipswände hochgezogen und Türen gestürzt werden, um endlich wieder unter sich und säulesgleichen weilen zu können.

Rohrköhlauer # 8, am 14. März 2017