Montags-Depeschen

Lavendelblätterregen

Ich laufe gern, mach vieles aber gerner. Ferner ist es an freien Tagen auch naheliegend, einfach länger liegen zu bleiben und zu lieben, was einem nah. Aber weil mich die Laufhose schon seit einer Woche hämisch angrinst ziehe ich sie mir heute über und trete vor die Tür. Schritt, Schritt, Laufschritt, Lauf – geht ja. Läuft. Ich laufe auf der Schmelz. Die Schmelz ist ein übergepflegtes Kleingartenvereinsidyll. Momentan blühen da mehr Pflanzen als ich zu benennen weiß. Ich schwitze, dampfe, keuche. Es geht der Wind, es saust, er zupft zart an den Pflanzen, lässt es lila Blätter regnen: Lavendelblätterregen. Ich laufe, lache, schnaufe. Ich laufe gern.

Plastiktonnenschuttschacht

Es rummst. Im Haus gegenüber wird der Dachboden ausgebaut. Aber erstmal wird das Dach abgedeckt, die Dachziegel, einer nach dem anderen, händisch in den Plastiktonnenschuttschacht geworfen, um mit einem Rumms in der bereitstehenden Mulde anzukommen. Das Rummsen wird anfänglich, bis der Boden der Mulde dachziegelscherbenbedeckt ist, von einem hohl, metallischen Donnern gekrönt und geht allmählich in ein Krachklirren über. Ich schaue dem Rummsverantwortlichen in die Augen, er hält meinem Blick mühelos stand. Die Rummsintervalle beeinträchtigen meine Konzentrationsfähigkeit, außerdem fällt mir auf, dass ich keine Hose an habe. Der Rummsverantwortliche sieht gnädig darüber hinweg. Noch geschätzte tausend Krachziegel. Ich geh besser wieder ins Schlafzimmer, das ist hofseitig, da zwitschern grad Vögel und die Nachbarn in der Wohnung unter mir, kochen – wie immer – etwas sehr Zwiebeldominantes.

Schläfenstreichelstreifen

Gestern schabte ich an mir. Gestern trimmte ich mich lateral. Gestern bescherte mir ein etwas unkontrollierter Rasierapparateinsatz linksseitig, oberhalb des Ohrs eine Haupthaarschneise. Mein Begehr waren an sich schnödes Interesse akustischer Natur. Ich wollte wissen, wie der Apparat klingt und freute mich gleichzeitig, dass der Rasierapparat einer der letzen Apparat-Bastionen ist. Beim Trockenrasierer ist Apparat noch immer nicht antiquiert. Klar, bemühen sich die Hersteller um spaciger klingende Namen. Aber irgendetwas mit -Shave tönt halt auch nicht so überwältigend innovativ. Rasierapparat kann man also noch immer sagen, ohne als Sprachkonservator oder gar -reaktionär appostrophiert zu werden. Mein Begehr war also, zu erhören, wie er klingt, der mich künftig glattrasierende Apparat. Ich gab ihm also Power, hielt ihn ans Ohr, näher ans Ohr, kam plötzlich an der oberen Ohrkante an, heulte auf, zerhäckselt wurde mein Ohrrand nicht, aber ich mähte mir einen circa sieben Zentimeter langen Streifen in mein Seitenhaar. Der Apparat freute sich über die leichte Beute, feine Härchen flogen, stoben, sorgten für ein prickelndes Knistern. Ich mochte das Geräusch des Apparats bei der Arbeit, mehr als das beschäftigungslose Surren, deshalb setzte ich ihn nochmal an und verlängerte die Testzone. danach fuhr ich mit meiner Hand drüber, Erregung, mit dem Handrücken, neuerlicher Erregungsschauer. Entweder ich hatte eine geheime erogene Zone an mir entdeckt, oder eben vermittels des Apparats eine geschaffen. Jetzt bin ich Träger einer Ich-spür-mich-Zone, eines klar erkenntlichen Schläfenstreichelstreifens und fühle mich gut damit. Den Rasierapparat hab ich mit Hinweis auf mein rotes, verletztes Ohr im Laden zurückgegeben.

Palaverlover

Ich bin ein Palaverlover. Ich laber gern so vor mich hin. Ich hab „Loslabern“ von Rainald Goetz auch richtig gern gelesen. Wobei palavern an sich vermutlich mehr ein Plaudern ist. Es palavert jedenfalls niemand mehr, alle smalltalken und sie smalltalken mehrheitlich schlecht. Guter Smalltalk, gutes Konversieren, gutes Palavern aber ist eine Kulturtechnik, die es nicht zu verachten gilt. Freilich, im Präsmartphonezeitalter wurde mehr palavert. Aber ich laber noch immer gern. Ich liebe labern. Ich bin ein Palaverlover. Der Palaverlover kann gar nicht oft genug fremd gehen. Je mehr der Palaverlover fremdgeht, desto versierter wird er. Palaverlover sind harmlos, sie kauen einem allerhöchstens ein Ohr ab oder reden einem ein Loch in den Bauch. Aber ich sag immer: Besser ein Loch in den Bauch gelabert als schwanger. Und besser ohne Punkt und Beistrich als gar nicht reden. Der Palaverlover ist zwar momentan etwas aufs Abstellgleis geraten, aber er wird wieder Saison haben. Gewiss!

Warteschwarte

Die Warteschwarte ist leider etwas aus der Mode gekommen. Mit einer Warteschwarte hat man einst stundenlange Zugfahrten überbrückt. Mit einer Warteschwarte fand man sich pünktlich bei der Provinzbushaltestelle ein und wartete auf den Bus, die Freunde, den Freund mit Auto, die Freundin zum Knutschen (und diese gleichzeitig mit der Warteschwarte zu beeindrucken – quasi Buchpetting und ging man dann Hand in Hand miteinander, hatte man einen Armschwarm). Die Warteschwarte war abgegriffen und zerlesen. Sie wies durchaus Flecken auf und konnte an sich schon Geschichten erzählen. Wo die Warteschwarte nicht schon überall mit dabei war, frage nicht. Ob ein Ereader ein Warteschwartenersatz sein kann, weiß ich nicht.

Komischmaschine

Die Komischmaschine ist ein klassisches Kofferwort. So wie meine Wolpertinger in „Kuhu, Löwels, Mangoldhamster“. Aber die Komischmaschine ist weder Tier, noch macht sie Beton. Die Komischmaschine macht Spaß. Das fängt ja schon bei der internen Wortbedeutung an: KOmischmaschine kann man nämlich auch lesen. Man merkt schon, die Komischmaschine ist umwerfend witzig. Aus der Komischmaschine purzeln seltsame Sätze: Zeitbeton und Zwangst. Beklemmungsnebel und Unbehagelschlag. Sie Sonne ziert sich sonderlich. Der Alltag an sich siecht beträchtlich (Februar), des Nahbars Ansicht (Baustelle) stimmt verächtlich. Dieser Komischmaschinenoutput ist noch nicht weit von der Mischmaschine entfernt. Auch eine Komischmaschine will in Schwung kommen, aber Februar ist die Zeit, in der selbst sonnige Gemüter dem Konzept der pharmazeutischen Aufhellung etwas abgewinnen können. Normalerweise arbeitet die Komischmaschine zuverlässiger.

Dreizughubklappbrücke

Die Dreizughubklappbrücke ist in Kiel zu begehen. Kiel macht Eindruck und U-Boote. Kiel schwappt leicht über. Kiel heißt leik von hinten. Kiel lässt sich auch gut anagrammieren. Kiel slammt in der Pumpe. Kiel ist Hafen großer Pötte. Kiel hat eine „Schaßstraße„. Kiel pfeift.

Rote Beete Burger

Innsbrucks neue Burgerhochburg heißt Ludwig. Im Ludwig ziert die aktuelle Karte der vegane Rote Beete Burger. Gegen vegane Burger möchte ich mich nicht äußern. Ich spreche mich vielmehr für diesen Sprachgebrauch aus. Denn obwohl den Kartenmachern die Rohne sicher näher läge, ist es der Rote Beete Burger geworden und der ist – zumindest lautlich – eine Wucht. Ich würde ja auch einen Bürgerburger befürworten. Beim Lokalnamen wäre ich auch wagemutiger gewesen: Burgerverlies, Burgier! Burgern, Habsburger o. Ä. wäre der Kundschaft sicher zumutbar. Und die ZuMutBar spräche wohl auch eine interessante Klientel an.

Wundschwund

Das heutige Innerechowort hat eindeutig mit dem gestrigen Kino-Besuch zu tun: The Revenant. Jössas hat der Bär den DiCaprio hergerissen. Wohl die beste Bärenkampfszene ever. Und da die Prankenhiebe ja durchaus eindrucksvoll gezeigt wurden und ordentlich Spuren hinterließen, war man dann doch froh, dass der Wundschwund recht zügig voran ging. Ein guter Indianer, der sich zwischenzeitlich seiner annahm, hatte Angst, er könnte verfaulen. Da waren die heißen Steine wohl gut und ansonsten – außer im ausgehöhlten Pferdebauch – spielte sich ja ohnehin alles in Eiswasser bzw. Temperaturen unter Null ab. Tom Hardy wurde schließlich ordentlich hergerichtet – Armalarm aber kein Eiterstreit – und DiCaprio ließ sich seine Bärenklauen nicht klauen. Vermutlich war Klauenklauen im 19. Jahrhundert gängig. Außerdem erklärte der Film unter anderem die Redeweise: Die Felle davon schwimmen sehen.

Barbierbar

Weil hier neulich ja der Barbarbar stand. So sei auch der Barbierbar ein Platz eingeräumt. In der Barbierbar wird man rundumbetreut, man wird rasiert und abgefüllt. Das ist schön. Es gibt garantiert keine Rasurbrandblasen aber womöglich Rachenbrand am Tag danach. Es ist allerdings nicht ganz klar, ob die Barmänner auch die Rasiermänner sind. Nur gut schütteln und zapfen, reicht nicht fürs glattrasieren. Ein Rasiermesser ist auch gefährlicher als ein Bierstandsmesser. Vielleicht wird einem in der Barbierbar einfach statt After-Shave ein Bier ins Gesicht geklatscht. Das wäre zumindest eine originelle Geschäftsidee. Hell oder dunkel? Pils oder Hefe? Darf’s heut vielleicht ein Mischbier sein? In der Barbierbar ist mit allem zu rechnen.