Allgemein

Lese-LUX

LUX_PorträtIch habe ein persönliches Lebensziel erreicht. Seit September 2017 schreibe ich monatlich eine Geschichte für „Das Magazin für helle Köpfe. LUX“. Ihr erinnert euch sicher alle an die „Spatzenpost“ und das „Kleine Volk“, Zeitschriften, die unsere VS-Zeit prägten.
Mittlerweile gibt es für die 1. Klasse die Mini-Spatzenpost, für die 2. Klasse die Spatzenpost und für die 3. und 4. Klasse das LUX. Und Monat für Monat trifft ein Gefühl in meiner Geschichte auf ein anderes und die zwei stellen sich gegenseitig vor (in der Jänner-2018-Ausgabe mit dem Titel „Wünsch dir was!“ geht es beispielsweise um Freundschaft und Sehnsucht) .
Das macht Spaß, bringt mir viele Reaktionen ein, ist bunt illustriert und geht auf jeden Fall weiter bis mindestens 2019. Und ein Lehrer*innen-Magazin gibt es auch, da durfte ich mich neulich vorstellen, weil es die Illustration meiner Jänner-Geschichte aufs Titelblatt geschafft hat: https://www.lehrerservice.at/magazin/magazin-prim.php?magid=prim179&src=1

 

Bezugsperson

RKA_35_Rollgebettet
Du stellst uns aus. Du stellst uns auf. Du machst unser Bett zum Bild. Du machst unseren Couchbezug zum Abzug, zum Foto, zum Exponat. Du verzichtest dabei freilich auf Farbe und Flecken. Du weißt, was Flecken für einen Eindruck machen. Du bist dir der Macht des Weißen bewusst. Die Projektionsfläche muss maximal und rein sein. Gold, Silber, Leopardenmuster, Rotwein-, Sperma-, Marmeladeflecken, das lenkte alles zu sehr in eine Richtung. Du willst nicht richten. Du willst nicht lenken. Du willst für alles offen sein und versinken. Willst, dass die Betrachtenden versinken können. Du nimmst sie auf in dein Werk, in unser Bett, in unsere Mitte. Du verzichtest dabei freilich auf Hängung und Statik. Du willst nicht abhängig und endgültig platziert sein. Du bestehst auf Mobilität und Flexibilität. Du willst dich nicht binden lassen. Du willst dich jederzeit verrollen können. Radfeststellbremsen vorhanden – Einsatz nur in Notfällen vorgesehen. Unvorhersehbarkeit muss dennoch Programm bleiben. Notfälle können aber vorkommen. Sag mal: Bin ich dir Notfall oder Fallstudie?

Rohrköhlauer #35, am 18. Dezember 2017

Biedermeier

RKA_34_Flirtversuch
Wind ist Singen des Himmels
Schnee ist Mantel der Gegend
Der Himmel pfeift
Der Gegend
Ob ihres Mantels was:
Flirten der Elemente
Flirten im Kleinen ist nicht minder diffizil und gegen die Gegend hilft nur Häuslichkeit. Cocooning ist an sich zu euphemistisch. Handarbeitshobbies bieten sich an: häkeln, stricken, sticken, knüpfen, klöppeln, batiken. Nach monatelangem Einspinnen braucht es dann aber auch eine Ausspinnphase und bunter Schmetterling bist du dann keiner, eher ein bleicher Zombie im gebatikten Schlafanzug, mit geknüpfter Blumenampel im Gang, gehäkelten Pulswärmern an den Handgelenken, gestrickten Legwarmers an den Unterschenkeln und mit Monogramm besticktem Stofftaschentuch im Sack. Du bist dann nicht flatterhaft, eher desorientiert zappelnd: Zombiezappler. Der Zombiezappeldance gehört längt etabliert. Do the Zombiezappelmove, dance the Zombiezappeldance and feel free to do so. Und was genau nochmal wird eigentlich geklöppelt? Und sag mal: Liebst du mich eigentlich?

Rohrköhlauer #34, am 6. Dezember 2017

Heimleuchten

RKA_33_Norwegen
Und ein falunroter Anstrich macht noch lange kein schwedisches Holzhaus. Und eine kryptische Tafel ist nicht per se finnisch. Und strahlend weiße Geländer, Fenster und Türen machen genau so wenig auf eindeutig norwegisch, wie eine weiße Ortgang-, Giebel- und Traufengestaltung. Und mehrere Postkästen machen nicht automatisch mehrere Freunde. Und eine großzügige Einfahrt macht noch keine Gastlichkeit. Und ein Busch ist nur symbolisch, wenn er brennt. Und Birken wachsen da und dort in den Himmel. Und ein kleines „i“ auf grünem Grund verhilft nicht unbedingt zu Informationsvorsprung. Und nur weil das Kehrenpfützchen gefroren ist, muss man nicht gleich zittern. Und ob das ein Volvo, ein Skidoo oder Nidhöggr, der hasserfüllt schlagende Drache aus der nordischen Mythologie ist, der am Weltenbaum Yggdrasil lebt und die Toten peinigt, lässt sich halt einfach nicht erkennen. Und dieses ominöse Licht beim Sterben, muss natürlich kein Tunnel sein.

Rohrköhlauer #33, am 21. November 2017

Himmelfahrt

RKA_32
Er versuchte sich beständig Verwegenes zu erkaufen. Er gab Bibliotheksbücher nicht zurück, gab vor, sie verloren zu haben, wusste, dass es genügte, der Bibliothek ein neues Exemplar zu bringen und nahm das gern in kauf. Er besaß lieber in Klarsichtklebefolie eingemachte, speckige und mit Fett-, Kaffee und anderen Flecken versehene Bücher mit Bibliotheksidentität, als jungfräuliche, selbst erstandene. Er lieh sich Bücher aus, bestellte sie sodann bei seiner Lieblingsbuchhandlung, holte sie ab und brachte sie direkt zur Stadtbücherei seines Vertrauens. Er war ein Kauz aber kein Troll. Das Internet hatte er noch nicht für sich entdeckt. Seine Welt war eine alte. Seine Welt war mehr Bibliotheksausweis als W-LAN, mehr Frack als Jeansjacke. Er hatte einen Schneider, kein Lieblingslabe. Bei seinem Schneider fühlte er sich in sicheren Hemden. Aber er konnte auch anzüglich sein: Mit Wams, Halskrause, Melonenhose und Stulpstiefeln, mit Posamenten (applizierte Schmuckelemente wie Kordeln und Webbänder), gepuderter Haarbeutelperücke, Kniebundhose und Rockschößen, mit Vatermörder (steifer, vorne offener Stehkragen), Volants (Ärmelbesatz) und Pumphosen. Auf die Gretchenfrage antwortete er mit: „Tantrismus & Brustwarzenbuddhismus.“ Aufregen konnte er sich über Alltagsdinge: „Und die Serviettenständer sind immer so prallvoll, dass man nie problemlos eine Serviette rausziehen kann. Entweder man reißt sich Stücke oder ganze Stapel raus. Ändert das!“ Andererseits aber konnte er sich über kleine Nettigkeiten auch ehrlich freuen. „Am Nachtkästchen Peti-Point-Stickereien und auf dem Kissen eine Lavendelsäckchen-Herzlichkeit mit in die Masche eingebundenem Sleep-Spray. Das hat wer an alles gedacht. Da mussten keine Schafe mehr gezählt werden. Da entschlummerte ich zufrieden bis über beide Ohren und der Rest steckte unter der wohlig-warmen Bettdecke.“ Wenn er sich was gönnen wollte, verbrachte er eine Nacht im Hotel, am liebsten in einem Hotel in der Nähe seines Hauses. Er war ein unauffälliger Gast, der gut Trinkgeld gab. Er liebte die Neue Sachlichkeit in der Kunst und in der Architektur. In der Literatur war er wählerischer und aus der Natur bezog er all seine Energie. Er saugte Regen und Sonnenschein förmlich auf, genoss Nebel und Wind, Schneefall und Hagel ließen ihn aufblühen und kaum denkbar, was wohl passierte, wenn ihn dereinst ein Blitz träfe.

Rohrköhlauer #32, am 11. November 2017

Deutschlandfunk Wels-Feature

TiergartenFotoBike
In 30 Minuten beim Indischen Pfau, sagte ich am Telefon zu einer ziemlich mitgenommenen Stimme. Kein Wunder, der Mann hatte nur ein paar Tage Zeit, um 5 Radiobeiträge über Wels zu machen, da ist Schlaf natürlich Luxus. Der Mann hieß Tom Schimmeck und arbeitete für Deutschlandfunk. Er erschien pünktlich und trug seinen Mikromuff am Kurzgalgen wie ein Einhorn vor sicher her. Wir unterhielten uns und die Vögel im Welser Tiergarten taten ihr Bestes, um eine eindrückliche Hintergrundsoundkulisse abzugeben. Ich schenkte ihm ein „Jammern auf hohem Niveau“, er fotografierte mich und nun ist der Beitrag zu hören und zu lesen. Schön geworden, finde ich.

Arbeitsanfall

RKA_31_klein
„Ba-ba-ba-ba-ba-Banküberfall“, sang die EAV vor 32 Jahren. Ist das ein Banküberfall? Wurde der Lehne die Würde geraubt? Was würde die Bank sagen, könnte sie in die Kommunikation eintreten? „Als Bank stehe ich für alle meine Sitzenden ein“? „Schleichts euch alle miteinand“? Oder sänge sie gar – wie Bill Withers vor 45 Jahren: „You just call on me brother, when you need a hand. We all need somebody to lean on. I just might have a problem that you’ll understand. We all need somebody to lean on.“? Singen ist Arbeit. Kommunikation ist Arbeit. Bankraub ist Arbeit. Beschriftung ist Arbeit. Beflegelung ist mehr Hobby als Arbeit aber gelegentlich Pflicht. Wie lang kann man von Urban-Art und ab wann muss man von Parkbankverunstaltungflegelei sprechen? Der Grat zwischen Adelung, Veredelung und Verschandelung ist schmal wie eine Parkbankbrettkante. Und apropos Kante respektive auf der hohen Kante haben. Was wird das Credo der neuen Regierung sein? „Arbeit gilt nicht – Eigentum ist alles“? „Türkis is the new black“? Oder „Paint it black“? „I see a red door and I want it painted black. No colors anymore, I want them to turn black (…) No more will my green sea go turn a deeper blue. I could not foresee this thing happening to you.“, sangen die Rolling Stones for 51 Jahren. Keine Farben mehr aber Pilzbefall. Ich weine eine grüne Träne.

Rohrköhlauer #31, am 16. Oktober 2017

Eigenheim

RKA_30_Wandläufer
Dass er schon bei der Besichtigung durchdrehen würde, damit war nicht zu rechnen. Die Bankbesuche, ja, die stellte sie sich schwierig vor. Dass er nicht ruhig sitzen und jemandem zuhören konnte, der von 300.000 Euro und 30 Jahren Laufzeit sprach, wusste sie. Aber dass er gleich bei der dreizehnten Besichtigung so auszuckte… Garconnieren sind leider auch nicht leichter zu finden.

Rohrköhlauer #30, am 1. Oktober 2017

Blockparty

RKA_29_Randbein
Drive-by-Steinigung trifft’s nicht ganz. Der Stein war vor mir da. Der Stein ist unschuldig, aber ich gerädert. Ich habe den Stein gemenschigt. Warum? Weil er grad da war und so ausschaute, als könnte er etwas Wärme gebrauchen. Und warm war mir. Momentan bin ich (herbstbedingt) kleidungstechnische Schichtarbeiterin und arbeitstechnisches Work-around-the-Clock-Opfer. Mir ist heiß, ich koche, dampfe, schwitze. Ich rappel mich auf und rocke mich ab. Ich gebe allen alles – Steinen, Bäumen, Menschen: mich – das fordert Tribut. Den Rock ’n‘ Roll leben, sagt sich immer so einfach. Ich mag zwar Steine rollen, komme mir dabei aber eher wie Sisyphus vor als wie Keith Richards. Nix mit Sex, Drugs und Blutwäsche – bloß stets voller Wäschekorb, ausstehende Honorarnoten und Mailanfragen beantworten. Da wäre es schön, einfach einmal ein Stein zu sein. Stein sein und in sich zu ruhen. Stein sein und bloß rumzublocken. Stein sein und in und Teil der Landschaft zu sein. Und weit und breit kein Stein, der einen störte oder was von einem wollte. Ach, es könnte so schön sein. Das Steinsein. Genug herumgekieselt, jetzt wieder ran an die Buletten!

Rohrköhlauer #29, am 27. September 2017

Poesieremise

RKA_28_PoesieremiseWiedergelesenes macht nicht immer ganz glücklich. Die erste in den Schnee der eigenen Gedächtnislandschaft gezogene Spur mag zwar mühsamer sein, ist aber auch eindrücklicher, schreibt sich anders ein in den Hirnschalenbrokkoli. Der Frontalscheitellappen ist das Gegenstück zur Hinterhirnremise, diese erschließt sich einem nicht so leicht. Dort einst Eingefahrenes will sanft gekitzelt werden, um wieder aufzustehen. Bei mir funktioniert das am besten über Schlüsselwörter. Deren Bart streichelt, kratzt, weckt was in mir und plötzlich öffnet sich das Tor zur Erinnerung. Ich lese „Zur-Kugel-Rollen“ und schon hab ich es vor Augen „Mein großes Igel Buch“. Das Buch meiner Kindheit. Jüngst wieder vermehrt erhältlich auf gut sortierten Flohmärkten.

Rohrköhlauer #28, am 15. September 2017